Schuberts Zyklus „Die schöne Müllerin“ gehört zu den aufwühlendsten Geschichten, die im Liedbereich erzählt und musiziert werden können. Im Vergleich zur weniger kontrastreichen, aber interpretatorisch viel mehr zu differenzierenden „Winterreise“ sind diese 20 Lieder vom Leben, Lieben und Sterben eines sensiblen Müllerburschen mitunter von einer jugendlichen Dringlichkeit und Kompromisslosigkeit, an die allenfalls einen MTV-Clip mit schnellen, wilden Kameraschnitten heranreicht. Nie war das angeblich so gemütliche Biedermeier packender und dramatischer...
Genre
Besetzung
Daniel Johannsen
»Es ist dieses Musizieren in all seiner ungeheuren Nachdrücklichkeit überwölbt von Geschmack, von Kunst im besten Sinne des Wortes.« So resümierte die Süddeutsche Zeitung anlässlich einer schönen Müllerin, die Daniel Johannsen mit Helmut Deutsch 2011 in München aufführte. Als Schüler von Robert Holl, Dietrich Fischer-Dieskau und Christa Ludwig ist der Liedgesang dem 1978 in Wien geborenen Tenor tatsächlich eine Herzensangelegenheit. Seine Programme spannen einen Bogen von frühbarocker Monodie bis hin zu Lyrikvertonungen unserer Tage und schließen auch vokal-instrumentale Kammermusik unterschiedlichster Prägung mit ein. Sein Liedrepertoire umfasst, neben den großen Schubert- und Schumann-Zyklen, mehr als 300 Lieder aus dem deutsch-, englisch- und französischsprachigen Œuvre, das er mit Duopartnern wie Graham Johnson, Charles Spencer, Burkhard Kehring oder Andreas Fröschl darbietet.
Nach der Ausbildung zum Kirchenmusiker studierte Daniel Johannsen an der Wiener Mu-sikuniversität Gesang bei Margit Klaushofer und wurde bereits in jungen Jahren bei zahlreichen Wettbewerben (Bach-, Schumann-, Mozart-, Hilde-Zadek-, Wigmore-Hall-) ausgezeichnet. Seit seinem Debüt 1998 führen ihn Auftritte in die großen Musikzentren Europas, Nordamerikas, Japans und des Nahen Ostens. Der vielgefragte Evangelist und Bach-Interpret ist regelmäßiger Gast zahlreicher bedeutender Festivals (Bachfest Leipzig, Styriarte Graz, Rheingau Musik Fest, La Folle Journée) und musizierte unter der Leitung namhafter Dirigenten wie etwa Sir Neville Marriner, Nikolaus Harnoncourt, Jordi Savall und Bertrand de Billy z. B. mit Israel Philharmonic, dem Freiburger Barockorchester, den Wiener Philharmonikern oder der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Eine besonders innige künstlerische Freundschaft verband ihn mit Enoch zu Guttenberg und seinen Ensembles — Auftritte u. a. in der New Yorker Carnegie Hall, im Auditorio Nacional de Música Madrid oder im Großen Saal des Moskauer Tschaikowski-Konservatoriums geben davon Zeugnis.
Auch in der Oper hat Daniel Johannsen seinen Platz gefunden und ist etwa als Händel-, Mozart- und Britten-Interpret u. a. an der Wiener Volksoper, am Münchner Gärtnerplatztheater, an der Oper Leipzig oder am Tiroler Landestheater zu erleben. Zahlreiche bei Carus, Sony oder der Deutschen Harmonia Mundi veröffentlichte Tonträger sowie Rundfunk- und Fernsehaufnahmen dokumentieren seine künstlerische Arbeit. Im März 2019 erschien seine von Rundfunk und Presse hochgelobte erste Schubert-CD Lieder ohnegleichen (mit Christoph Hammer auf einem Graf-Flügel von 1827).
Felix Hornbachner
"Schuberts Liederzyklus „Die schöne Muüllerin“ ist nichts Neues, und doch gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Gewiefte Künstler können dem scheinbar längst bekannten Werk neue Facetten abgewinnen. So geschehen am Freitag im Vitum Putzleinsdorf, wo der in Lied und Oratorium höchst erfahrene Tenor Daniel Johannsen mit dem jungen oberösterreichischen Dirigenten Felix Hornbachner eng zusammengerückt ist. Das im wahrsten Sinn des Wortes, denn zumindest in manchen Abbildungen lässt sich erkennen, dass bei Schubertiaden der damalige Hofopern-Sänger sowie Schubert-Intimus Johann Michael Vogl nicht in einer gewissen Distanz zum Klavier gestanden hatte, sondern dass man dicht an dicht am Flügel saß. Das hat den Vorteil, dass der Sänger die Aufgaben des Blattwenders erfüllen kann, andererseits übertragen sich höchst sensibel Schwingungen, die das Zusammenspiel akkurater erscheinen lassen. Für ein beachtenswertes Konzert wäre das noch zuwenig. Denn auch im Stehen hätte Johannsen diese Müllerin zu einem Ereignis werden lassen. Er fasst den Zyklus als Geschichte auf, als eine Liebeserzählung, die mit dem Tod des verliebten Müllersburschen endet. So gleitet ein Lied ins andere und gewinnt aus dem vorhergehenden Impulse für das nächste. Um das zu verdeutlichen, sitzt Johannsen nicht bloß artig auf seinem Stühlchen, sondern gestikuliert und gestaltet so über das rein Sängerische hinaus. Er schlüpft in die Rolle jenes Bedauernswerten, der ein Alter Ego Schuberts sein könnte. Dazu kommt ein höchst gepflegter Stimmeinsatz, den Johannsen fein zu variieren versteht. Felix Hornbachner bleibt am Klavier der ideale Partner, der feinfühlig auf Johannsens freizügige Interpretationen reagiert und in dieser noblen Zurückhaltung erst den Weg freimacht, um als Sänger derartig intensiv gestalten zu können.
Fazit: Tatsächlich eine ganz andere Herangehensweise an einen Klassiker der Liedliteratur, die in vielen Takten aufhorchen und Neues entdecken ließ."
— Michael Wruss, OÖNachrichten, 2019